Oder: „Wenn man plötzlich zu Eis erstarrt.“
Burn out – den Begriff habt ihr sicher alle schon mal gehört
und spätestens seit dem Rekord-Ski-Springer Sven Hannawald hat er auch ein
Gesicht. Doch was kaum einer weiß: es kann jeden treffen. Den Studenten am Pult
neben euch, den Lehrer vorne an der Tafel, die Oma von gegenüber, den Pfleger,
der sich um euren Opa kümmert, die Hausfrau in der Wohnung unter euch, genauso
wie den Manager an der Frankfurter Börse.
Ein Burn out ist kein Zeichen von Schwäche. Er ist das
letzte Stopp-Schild des Körpers vor der Klippe.
Medizinisch benannt ist hinter den „Burn out“ einfach noch
das „Syndrom“ gesetzt. Klingt gleich viel seriöser und auch viel mehr nach
Krankheit. Und das ist auch das erste, was man verstehen muss: der Burn
out-Patient ist krank. Nicht „gestört“ oder „komisch“ und nicht verrückt,
sondern krank.
Und was krank ist, kann auch wieder heilen.
Ein Burnout-Syndrom baut sich über eine lange Zeit auf und braucht auch wieder
eine gewisse Zeit zum Ausheilen. Wie nennt Gaby Köster das so nett: „Ein
Schnupfen hätte auch gereicht.“, dieser Satz trifft auf so viel mehr als nur
auf Schlaganfälle zu.
Einige Menschen oder Berufsgruppen neigen schneller zum
Burnout-Syndrom als andere, aber einige Menschen kriegen auch schneller nen
Schnupfen als andere.
Aber wie entsteht eigentlich ein Burnout?
Um die Erklärung zu vereinfachen spricht man oft von „Phasen“ des Burnouts.
Manche nennen 6, andere nennen detaillierter 12, doch allen ist gleich, dass
sie nicht unbedingt in chronologischer Reihenfolge ablaufen müssen.
Phase 1: Überengagement / Überforderung
Man will anderen und, und das ist am problematischsten, sich selbst etwas
beweisen. Dass man etwas schaffen kann oder das man gut in etwas sein kann. Das
Gebiet ist dabei vollkommen egal: ob in persönlichen Beziehungen, in
Studienfächern oder in dem Verantwortungsbewusstsein anderen gegenüber.
Um diese hohen Erwartungen an sich selbst erfüllen zu können, beginnt man,
besonders hart zu arbeiten. Stellen sich dann nicht die gewünschten Ergebnisse
ein, beginnt der Teufelskreislauf.
Zuerst überspielt man die inneren Konflikte und ignoriert sie so gut es geht,
doch bald darauf folgen dann meistens Erschöpfung und Frustration. Und auch der
Körper spielt nicht mehr mit: Kopf- und Magenschmerzen und Schlafstörungen sind
die ersten körperlichen Anzeichen, dass etwas nicht stimmt.
Phase 2: Reduziertes Engagement
Man beginnt zu realisieren, dass die zu hoch gesteckten Ziele nicht erreicht
werden können und wird desillusioniert. Deshalb fährt man das Engagement stark
herunter und erledigt nur noch das Allernötigste. Man hat zu viel investiert,
ohne (gefühlt) jemals etwas dafür zurückbekommen zu haben. Man kündigt
innerlich und wird antriebslos und gleichgültig.
Man zweifelt am eigenen Wertesystem, was dafür sorgt, dass man sich selbst ein
Stück weit verliert.
Man vernachlässigt nach und nach alles, was einem Selbst wichtig ist: zuerst
andere persönliche Bedürfnisse wie z.B. Hobbies. Dann auch soziale Kontakte wie
Freunde und Familie. Man geht vollständig auf Distanz und die Fähigkeit zur
Empathie geht mehr und mehr verloren, stattdessen machen sich eine emotionale
Kälte und Zynismus breit. Und daran kann man auch dann nichts ändern, wenn man
es an sich selbst beobachtet.
Phase 3: Emotionale Reaktion – Depressionen, Aggressionen,
Schuldzuweisungen
Irgendeiner muss ja an der ganzen Situation schuld sein. Und da sieht der
Burnout-Patient meistens sich. Daraus kann sich dann ganz schnell eine
Depression entwickeln, die einen sich ohnmächtig, unfähig und hilflos fühlen
lässt. Das Selbstwertgefühl und damit auch das Selbstvertrauen sinken gegen null,
stattdessen fühlt man sich leer, sieht nur noch das schlechte und wird von
einer unerklärlichen Nervosität und Angst fast auseinander gerissen. Man sitzt
da und ist grundlos hypernervös. Dieser Druck muss dann irgendwo hin. Oft wird
er dann an anderen ausgelassen, was den Patienten launisch, dauer-gereizt und
aggressiv wirken lässt.
Oft versuchen Patienten auch, die entstandene Leere mit „neuen Freunden“ zu
füllen. Daraus können die verschiedensten Suchterkrankungen entstehen (Alkohol,
Drogen, Sex, Essprobleme).
Ein weiteres großes Problem ist die Intoleranz sich selbst und anderen
gegenüber. Während man das bei sich selbst gut verleugnen und verdrängen kann,
gehen einem die kleinsten „Fehler“ der Anderen mehr als nur gegen den Strich.
Dadurch, dass die Empathie komplett flöten gegangen ist, ist der Patient gar
nicht mehr zu Toleranz fähig und beginnt, sein Gegenüber gering zu schätzen,
egal, wie wichtig es ihm eigentlich ist. Und auch hier findet er selbst keinen
Ausweg mehr, selbst, wenn ihm selbst auffällt, wie unfair er ist.
Phase 4: Abbau, schwindende Leistungsfähigkeit
Spätestens jetzt müssen beim Umfeld alle Alarmglocken schrillen, denn jetzt
sind die Probleme nicht mehr übersehbar, weil der Körper einen Riegel vor
schiebt.
Zuerst versagt das Gehirn: man wird vergesslich, kann keine komplexen Aufgaben
mehr bewältigen, es wird fast unmöglich, einen schwierigen Sachverhalt in
einfachen Worten zusammenzufassen. Die Kreativität schwindet. Leute die
geschrieben, gemalt, fotografiert oder gesungen haben, hören plötzlich damit
auf, weil ihnen die Muse fehlt. „Schreibblockade“, nennen die Autoren das dann.
Der Burnout-Patient fühlt sich in der Routine wohl, weil jede Veränderung
Energie kosten würde, die er nicht hat. Doch genau diese Routine macht für ihn
alles noch schlimmer. Alleine kann er aus diesem Teufelskreis nicht mehr
entkommen.
Dazu kommt, dass der Körper irgendwann nicht mehr mitspielt. Man wird krank.
Alle latenten Krankheitsherde feuern plötzlich wieder. Alles reagiert
psychosomatisch, will heißen:
Geht’s dir schlecht, tut‘s auch weh. Geht’s dir
gut, lass ich dich in Ruhe.
Nur während eines Burnouts geht es einem niemals gut.
Zusätzlich spielen zentralnervöse Störungen eine Rolle und auch Panikattacken
sind keine Seltenheit.
Der körperliche Zusammenbruch kündigt sich mal über längere Zeit, mal nur kurz
an, so individuell, wie die Patienten halt sind, aber eins haben alle
gemeinsam: sie sehen scheiße aus: Zu dick oder zu dünn, blass, geschafft,
krank, schlechte Haut, trübe, leblose Augen, etc.
Phase 5: Verflachung, Desinteresse
Man zieht sich emotional komplett zurück. Unfähig, mit anderen mitzufühlen,
verschwindet auch irgendwann die Fähigkeit überhaupt etwas zu fühlen. Alles
wird gleichgültig, man langweilt sich nur noch und lenkt sich mit sinnlosem
Quatsch, der möglichst keine Energie kostet, vom Gefühl der Leere ab.
Man wird
kalt wie Eis.
Burnout macht einsam, denn selbst, wenn es Leute gibt, die versuchen, einen da
wieder raus zu holen, ist einem das egal, denn man kann ihre Sorgen um die
eigene Person nicht mitfühlen und die eigene Person ist einem sowieso egal.
Phase 6: Verzweiflung
Das Ganze endet in einer riesigen Verzweiflung, weil man merkt, dass man gegen
die Wand fährt, aber alleine den Rückwärtsgang nicht finden kann. Und selbst,
wenn man das könnte, ist der Motor ausgegangen und kein Sprit mehr im Tank.
Alles scheint sinnlos und hoffnungslos und im Extremfall kann das Ganze in
einem Suizid enden.
Die schrecklichsten Aspekte des Burnout-Syndroms sind:
Die Unfähigkeit zu Fühlen.
Die innere Nervosität bis zum Gefühl des Platzens.
Die Depersonalisierung: man ist nicht mehr man selbst und kommt selbst nicht
mehr an sich ran.
Die Einsamkeit.
Die Hoffnungslosigkeit: man sieht einfach keinen Ausweg, sondern glaubt, man
wird verrückt.
Das einzige, was einem wirklich helfen kann, ist wieder ein
neues Ziel zu finden.
Die Auslöser zu ermitteln, zu beseitigen und neu zu starten. Wenn nötig bei
Null.
Das kostet Energie, die man nicht zu haben glaubt, aber neue Ziele können viel
neue Energie frei setzen und man kann sich selbst überraschen, zu welchen
Leistungen man wieder in der Lage sein kann.
Gerade, wenn man vorher von guten Leistungen verwöhnt war, fällt es besonders
schwer, sich einzugestehen, dass man vielleicht eine falsche Entscheidung
getroffen hat, doch alles ist besser, als in den 6 Phasen fest zu stecken.
Die Angst und die Nervosität bleiben noch eine ganze Weile, aber sie sind nur
Symptome einer verschwindenden Krankheit. Die Empathie und die Gefühle kehren
langsam wieder zurück und füllen die vorher erfüllende Leere aufs Neue aus, sie
lassen einen wieder zu sich selbst finden, was zu neuem Selbstvertrauen führt.
Diese Krankheit entwickelt sich langsam und sie heilt auch nur langsam, und das
kann sie auch nur, wenn man selbst daran arbeitet und das kann man nur, wenn
man verstanden hat, was mit einem los ist und wie es dazu kam.
Manche sind so selbstreflektierend, dass sie das nach einer Weile wieder selbst
auf die Reihe kriegen und sich selbst, vielleicht mit Hilfe von anderen
Vertrauten, in den Hintern treten.
Andere brauchen die Hilfe von außen und können auch aus dem näheren Umfeld
nichts annehmen.
In diesem Fall sollte sich niemand scheuen, sich externe Hilfe
zu suchen.
Das Leben ist zu schade, als es in diesem Teufelskreis zu verbringen.
Und doch ist dieser Teufelskreis auch ein Teil des eigenen
Lebens, den es zu verarbeiten gilt, damit es weiter positiv in die Zukunft
gehen kann. Jeder macht das auf seine Weise: manche malen, andere singen, die
nächsten fotografieren und es gibt auch welche, die darüber schreiben.
In diesem Sinne,
eure Kati